Slowenien

Die Untersteiermark war seit dem Jahre 1147 – über 770 Jahre lang – ein Teil des Herzogtums Steiermark und wurde durch das Friedensdiktat von St. Germain im Jahre 1919 ohne Volksabstimmung von der Steiermark abgetrennt und dem neugegründeten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen zugesprochen.

Mit einer Fläche von 6050 km2 besteht sie aus vielfältigen Landschaften: Von der Ebene des Pettauer Feldes über die Weinhügel der Windischen Büheln und der Kollos, über das 1500 m hohe Bacherngebirge bis zu den 2300 m hohen Sanntaler Alpen. Die größten Flüsse zwischen Mur und Sawe sind die Drau und die Sann, die größten deutschen Städte waren Marburg, Cilli und Pettau. Nach der amtlichen Volkszählung vom Jahre 1910 lebten in der Untersteiermark 74.000 Deutsche, vorwiegend in Städten und Märkten. Als Bauern lebten rund 6000 im deutschen Abstallerfeld südlich der Mur und rund 3000 im Drautal und in anderen Gegenden.

Das Kulturleben der Untersteiermark war jahrhundertelang durch seine deutschen Bewohner geprägt. In den Städten und Märkten blühten Handel und Gewerbe. Von hier ging auch der Aufbau der Industrie und des Bergbaues aus.

Das Land ist Heimat von Männern und Frauen, die weit über seine Grenzen hinaus wirkten: Admiral Wilhelm von Tegetthoff aus Marburg, der Sieger in den Seeschlachten von Helgoland und Lissa; der Liederfürst Hugo Wolf aus Windischgraz; die Dichter und Schriftsteller Ottokar Kernstock und Max Mell aus Marburg, Margarethe Weinhandl und Anna Wambrechtsamer aus Cilli; die Maler und Radierer Luigi Kasimir aus Pettau und Pipo Peteln aus Marburg; der Gründer der Grazer Puch-Werke, Johann Puch, aus Pettau.

Nach einem ersten Aderlass nach der Abtrennung von Österreich 1919 wurde 1945 der überwiegende Rest der deutschen Untersteirer unter brutalen und inhumanen Bedingungen aus ihrer Heimat vertrieben.

Deutsche Besiedlungswelle im 9. Jahrhundert

Nach der Völkerwanderung, in der zahlreiche germanische Stämme durch das Land zogen, drang im 6. Jahrhundert das asiatische Reitervolk der Awaren in die Alpen ein. Sie brachten das unterworfene Volk der späteren Alpenslawen mit ins Land. Diese wandten sich an den Bayern-Herzog um Hilfe gegen die Awaren, wofür sie seine Oberhoheit anerkannten. Karl der Große besiegte die Awaren endgültig und errichtete um das Jahr 800 zum Schutz seines Reiches im Südosten einen Marken-Gürtel.

Marburg

Damals setzte die erste deutsche Besiedelung ein, gefördert durch Adel und Kirche. Im Jahre 811 legte Karl der Große die Drau als Grenze zwischen den kirchlichen Einflüssen des Erzbistums Salzburg und des Patriarchates Aquileia fest. Die Karolingische Besiedlung wurde durch die Madjaren-Einfälle unterbrochen, und erst nach der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahre 955 konnte Otto der Große die Madjaren in die Pannonische Ebene zurückdrängen und die zweite langandauernde deutsche Besiedlung einleiten. Zum Schutze des Reiches wurden in der Untersteiermark viele Burgen errichtet (insgesamt 96). Deutsche Städte, Märkte und Klöster wurden gegründet. Ebenso wurden deutsche Bauern ins Land gerufen.

Teil des Herzogtums Steiermark

Die Traungauer, die seit 1055 die Mark an der mittleren Mur besaßen, erbten 1147 von den Spannheimern das Drauland und Teile des Sanntales. 1180 zum Herzogtum erhoben fiel die Steiermark 1192 nach dem Aussterben der Traungauer den Babenbergern zu. Nach der Interregnums-Herrschaft des Böhmenkönigs Przemyzl Ottokar II kamen 1282 diese untersteirischen Gebiete gemeinsam mit dem Herzogtum Steiermark an die Habsburger.

Im 15. Jahrhundert erreichten die Grafen von Cilli eine sehr bedeutende Machtstellung. Hermann II, dem das Sanntal und über 70 andere Herrschaften gehörten, wurde 1437 sogar in den Reichsfürstenstand erhoben. Ein Erbvertrag mit dem Hause Habsburg trat 1456  nach dem Tod des letzten Cilliers in Kraft. Davor waren schon ein Teil der Besitzungen des letzten Pettauers an die Steiermark gefallen.

Zahlreiche Türkeneinfälle zwischen 1471 bis 1532 verheerten die Untersteiermark. Tausende Tote und in die Türkei verschleppte Kinder und Frauen waren jedesmal die furchtbaren Folgen. Die Bedrohung durch die Türken blieb bis ins 17. Jahrhundert bestehen.

Deutsche und Slowenen in der Untersteiermark

Deutsche und slawische Bauern wohnten friedlich nebeneinander. Da aber die Slawen südlich der Drau dichter siedelten und dort slawische Priester in der Überzahl waren, ging die deutsche bäuerliche Bevölkerung im Laufe von Jahrhunderten im slawischen, auch „windisch“ genannten, Volkstum auf. Städte und Märkte blieben aber bis zum Zusammenbruch der Monarchie im Jahre 1918 überwiegend deutsch.

Der slowenische Geistliche Primus Truber übersetzte 1535 die Bibel ins „Windische“, weitere  Übersetzungen und Wörterbücher folgten und standen damit am Anfang einer slowenischen Schriftsprache.

Erst im 19. Jahrhundert wurde das friedliche Zusammenleben der Deutschen und Windischen durch den aufkeimenden slowenischen Nationalismus gestört. Heftige Auseinandersetzungen um Schulen, Presse und politischen Einfluss zwischen den Nationalitäten prägten die zu Ende gehende Donaumonarchie. Die windische Landbevölkerung selbst hielt sich aus diesen Streitigkeiten eher heraus.

Abtrennung der Untersteiermark

Im Ersten Weltkrieg kämpften deutsche und slowenische Untersteirer vier Jahre lang gemeinsam und tapfer bis zum Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie. Nach diesem Zusammenbruch im Jahre 1918 sammelte der k.u.k. Oberstleutnant Majster slowenische Soldaten und besetzte mit ihnen die deutsche Stadt Marburg, das Drautal und auch Gebiete nördlich der heutigen Staatsgrenze von der Soboth bis Radkersburg.

Am 27. Jänner 1919, als weit über 10.000 Deutsche auf dem Hauptplatz von Marburg für den Verbleib bei Deutsch-Österreich friedlich demonstrierten, um dem amerikanischen Abgesandten Oberst Miles zu beweisen, dass Marburg deutsch ist, ließ der zum General beförderte Majster Soldaten aufmarschieren und in die Menge schießen. 13 Tote und 60 Verwundete bedeckten den Platz. Die Menschen flohen in die Seitengassen und nach Hause.

Die damalige Steiermärkische Landesregierung verbot jedes militärische Eingreifen. So ging das schöne steirische Unterland ohne Volksabstimmung verloren. Tausende Deutsche verloren ihre Arbeitsplätze und Wohnungen und wurden ausgewiesen. Andere wichen freiwillig dem slowenischen Terror. Das Deutschtum wurde so auf die Hälfte verringert und musste als Minderheit in der Zwischenkriegszeit manche Unterdrückung erleiden.

Vertreibung, Verfolgung, Enteignung

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde die Untersteiermark nach dem Jugoslawien-Feldzug im April 1941 an das Deutsche Reich angeschlossen. Vier Jahre später, nach der Kapitulation am 8. Mai 1945, begann für das untersteirische Deutschtum die Katastrophe.

Wer nicht rechtzeitig geflohen war, wurde ins Gefängnis oder in eines der berüchtigten slowenischen Konzentrationslager getrieben. Rund 6000 Deutsch-Untersteirer wurden erschossen oder gingen in Gefängnissen und Konzentrationslagern an Misshandlungen, Hunger und Seuchen zugrunde. Kaum ein Kind unter drei Jahren überlebte diese grausamen Lager. Nach Einschaltung des Internationalen Roten Kreuzes wurden die noch am Leben Gebliebenen nach Österreich vertrieben. Jugoslawien enteignete entschädigungslos allen deutschen Besitz.

Ehem. Deutsches Haus in Cilli

Die meisten Deutsch-Untersteirer ließen sich nach der Vertreibung in der Steiermark und in Kärnten nieder, viele auch in den übrigen Bundesländern, in der Bundesrepublik Deutschland und in Übersee. In Graz, als dem Zentrum aller vertriebenen Deutsch-Untersteirer, wurde im Jahre 1948 ein Hilfsverein gegründet, der die ärgste Not lindern half. Zur Erinnerung an die alte Heimat wurde 1970 am Grazer Schlossberg neben der Kanonenbastei eine schöne Gedächtnisstätte errichtet, von der der Blick bis zu den heimatlichen Bergen in der Untersteiermark reicht. In der Totensäule ist unser Totenbuch eingemauert. Das Relief zeigt die vor 1918 mehrheitlich deutschen, verlorenen Städte Marburg, Pettau, Cilli und Rann. 2004 wurde das Regionalmuseum „Untersteiermark/Stajerska“ in Ehrenhausen eröffnet, in dem an die gemeinsame Geschichte erinnert wird.

Die deutschen Mießtaler

Das landschaftlich schöne Mießtal liegt an der Bahnlinie Marburg – Klagenfurt – Franzensfeste. Der südliche Teil ist eingebettet zwischen der 2126 m hohen Petzen im Westen und der 1696 m hohen Ursula im Osten. Der nördliche Teil aber ist nach Kärnten offen.

Das Mießtal, mit dem Gebiet um Unterdrauburg, das seit der Gründung des Herzogtums Kärnten im Jahre 976 diesem angehörte, wurde im Jahre 1919 durch das Friedensdiktat von St. Germain ohne Volksabstimmung von Kärnten abgetrennt. Die Struktur dieses Gebietes (62% Wald, 13% Ackerboden, 22% Wiesen und Almen) verbunden mit den Bodenschätzen, wie Blei und Braunkohle, ließ eine blühende Industrie entstehen, in der im Jahre 1910 etwa 75% der Bewohner Beschäftigung fanden. Das Gebiet umfasst 367 km2. Die bekanntesten Gemeinden sind Markt Gutenstein, Prävali, Mieß, Schwarzenbach und Markt Unterdrauburg.

Im 12. Jahrhundert scheinen urkundliche Belege über das Mießtal (Mießdorf) auf. Die Stifte St. Paul und Eberndorf waren für dessen Entwicklung ebenso von Bedeutung wie die in Kärnten begüterten Heunburger und Aufensteiner, bis das Gebiet im Jahre 1370 an die Habsburger kam. Schließlich gelangten durch Kauf im Jahre 1601 die Grafen von Thurn in den Besitz dieses Gebietes. Schon im 17. Jahrhundert erschlossen sie den Bergbau und gründeten in Streiteben bei Gutenstein ein großes Eisenwerk. Zusammen mit den Brüdern Rosthorn (in Prävali) und der Familie Dickmann-Secherau trugen sie wesentlich zur wirtschaftlichen Blüte des Mießtales im 19. Jahrhundert bei.

Die Bevölkerung des Mießtales und des Gebietes um Unterdrauburg bestand um 1910 mehrheitlich aus deutschfreundlichen Slowenen, die Märkte aber hatten eine deutsche Mehrheit, wie Unterdrauburg (91%) und Gutenstein (75%). Im Gesamtgebiet gaben bei der Volkszählung im Jahre 1910 rund 3000 Bewohner als Umgangssprache „Deutsch“ an. Nach dem am 5./6. November 1918 erfolgten jugoslawischen Überfall auf das Mießtal, dem kärntnerischen Gegenangriff am 6. Mai 1919 und dem jugoslawischen Gegenschlag Ende Mai 1919 ging dieser Teil Kärntens verloren.

Das Schicksal, das die deutschen Mießtaler als Minderheit in Jugoslawien nach 1918 und dann durch die Vertreibung 1945 erlitten, glich in manchem dem der Deutschen in der Untersteiermark. Im Jahre 1952 gründeten beide die „Landsmannschaft der Untersteirer und Mießtaler in Kärnten“.

Das schwere Schicksal der Deutsch-Untersteirer nach dem 8. Mai 1945

Der „Antifaschistische Rat der nationalen Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ)“ hat am 29. November 1943 unter Vorsitz von Tito in Jaijce (Bosnien) beschlossen und am 21. November 1944 in Belgrad verfügt:

1. Die entschädigungslose Enteignung des gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens von Personen deutscher Volkszugehörigkeit zu Gunsten des Staates.

2. Den Verlust der Staatsbürgerschaft und aller staatsbürgerlichen Rechte von Personen deutscher Volkszugehörigkeit.

3. Den Entzug aller Freiheitsrechte und die Vertreibung aller Personen deutscher Volkszugehörigkeit.

Drache auf der Drachenbrücke in Laibach

Diese völkerrechtswidrigen Verfügungen wurden in ganz Jugoslawien und daher auch in Slowenien auf brutale Art von den kommunistischen Partisanen durchgeführt. Alle Volksdeutschen vom Kind bis zum Greis wurden kollektiv entrechtet.

Am 9. Mai 1945 rückten die slowenischen Partisanen aus ihren Verstecken in den Wäldern des Bacherngebirges, des Sanntales und der Gebirge zwischen Sann und Sotla in die untersteirischen Ortschaften, Märkte und Städte ein. In Cilli und Mahrenberg erschlugen und erschossen die Partisanen rücksichtslos alle führenden Deutschen, deren sie habhaft werden konnten. Tausende wurden in Gefängnisse gebracht.

Anfang Juni wurden alle, deren Familiensprache deutsch war, samt Kleinkindern und Greisen in die slowenischen Konzentrationslager Sternthal bei Pettau, Tüchern bei Cilli, Gutenhaag bei St. Leonhard und in Gefängnisse getrieben, wo sie brutal behandelt wurden. Hunderte von ihnen wurden nach Verzeichnissen des slowenischen Innenministeriums in Laibach ohne Gerichtsverhandlung zum Erschießen bestimmt.

In der Untersteiermark wurde die ethnische Säuberung – wie sie nach dem Zerfall Jugoslawiens in Bosnien bekannt wurde – schon 1945/46 durchgeführt. Tausende Deutsch-Untersteirer sind in den Konzentrationslagern an Folter, Hunger und Seuchen wie Ruhr und Typhus gestorben, die noch am Leben gebliebenen wurden auf brutale Art unter Wegnahme ihrer letzten Habe nach Österreich vertrieben.

Einige Hundert Mütter mit Kleinkindern wurden wegen der Bombardierungen schon vor dem 8. Mai aus den Städten in die Obersteiermark gebracht und einigen Tausend ist die Flucht nach Österreich gelungen.

Insgesamt hat die deutsche Volksgruppe in der Untersteiermark von rund 35.000 Personen rund 6.000 Todesopfer zu beklagen, das sind rund 17%. Rund 4.000 sind auf verschiedene Weise durch die Maschen der Säuberung geschlüpft und in der Heimat geblieben. Einschließlich der Geflüchteten, die ja nicht mehr zurückkehren durften, wurden daher rund 25.000 Deutsch-Untersteirer aus ihrer Heimat vertrieben.

Von diesen 25.000 Vertriebenen haben sich rund 65% in der Steiermark niedergelassen, 15% in Kärnten, 10% in anderen Bundesländern und rund 10% in der Bundesrepublik Deutschland und in Übersee.

Heute

Nach dem Zerfall Jugoslawiens bildet die Untersteiermark als „Stajerska“ seit 1991 einen Teil der Republik Slowenien. Trotz einer für die vertriebenen Deutsch-Untersteirer diskrimierenden Denationalisierungsgesetzgebung konnten seither manche der enteigneten Vermögen zurückgewonnen werden. Viele Restitutionsanträge wurden jedoch abschlägig beschieden, die Verfahren verschleppt oder mussten als aussichtslos aufgegeben werden.

Bei der Volkszählung 2002 in Slowenien gaben mehr als 1600 Menschen Deutsch als Muttersprache an. Trotz der Vertreibung 1945 waren Reste der deutschen Volksgruppe im kommunistischen Jugoslawien verblieben, waren aber als Deutsche bis zum Gründung der Republik Slowenien 1991 völlig entrechtet.

Vereine in Marburg und Abstall kümmern sich heute um kulturelle Angelegenheiten. Trotz eines Kulturabkommens zwischen Österreich und Slowenien konnte jedoch noch keine verfassungsmäßige Gleichstellung mit den Minderheiten der Italiener und Ungarn und damit eine adäquate Förderung für die deutsche  Volksgruppe erreicht werden. Positive Zeichen der Anerkennung und alte Ressentiments zeichnen ein ambivalentes Bild, das Leben in einer freien Gesellschaft und in einem gemeinsamen Europa ist jedoch ein Hoffnungsschimmer für die kleine deutsche Volksgruppe.

Landsmannschaft und Hilfsverein der Deutsch-Untersteirer in Österreich, Graz